Start zur grössten Saison der Geschichte mit Theaterdonner um den Hockey-Nationaltrainer
Grösste Saison der Geschichte? Also seit 1908, dem Jahr der Verbandsgründung? So ist es. Im Februar das olympische Turnier mit allen NHL-Stars und im Mai die WM im eigenen Land, mit Chancen auf den WM-Titel und den NHL-Titanen, die nicht mehr um den Stanley Cup spielen. Wahrlich, so hat es rund um die Nationalmannschaft noch nie gerockt.
Da soll in diesem unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage zumindest das, was berechenbar ist, in Ordnung gebracht werden. Verbands-Sportdirektor Lars Weibel, tüchtig zwar, aber durch Eigenmächtigkeiten unter Druck geraten, hat das Mandat mit seinem langjährigen Kumpel Patrick Fischer noch vor dem Spengler Cup zu verlängern. Idealerweise bis zu den Olympischen Winterspielen 2030 in Frankreich – mit Ausstiegsmöglichkeiten für beide Seiten natürlich. Oder bei kürzerer Dauer mit Verlängerungs-Optionen. Er hat nach wie vor nicht Vollzug gemeldet.
Patrick Fischer beginnt beim Vierländerturnier in Tampere am Wochenende mit den Spielen am Donnerstag gegen Finnland (17.30 Uhr), am Samstag gegen Schweden (12 Uhr) und am Sonntag gegen Tschechien (12 Uhr) seine elfte Saison.
Sein Wesen und Wirken ist jahrelang kritisch hinterfragt worden. Aber inzwischen hat er dreimal – zuletzt zweimal hintereinander – den WM-Final erreicht. Er ist der erfolgreichste Nationalcoach unserer Geschichte (seit 1908) geworden. Sportlich grandios und zugleich der charismatischste und beste Verkäufer des Nationalteams und unseres Hockeys. Und dazu kommt: Es ist ihm gelungen, unsere NHL-Profis fest ins Nationalteam einzubinden. Wenn immer möglich, eilen unsere NHL-Stars herbei, um unser WM-Team zu verstärken. Sie sind der zentrale Faktor für unsere Konkurrenzfähigkeit bei einer WM.
Zwar hat Patrick Fischer sein ganz grosses Ziel – den WM-Titel – noch nicht erreicht. Und doch: Er könnte Ende Saison die Arena erhobenen Hauptes verlassen. Der Zeitpunkt für ein bisschen Theaterdonner um seine Verlängerung ist perfekt und wird im Falle einer Verlängerung sicherlich nicht zu einer Mandats-Reduktion führen. Patrick Fischer arbeitet im Mandat für den Verband. Er ist nicht angestellt.
Es macht Sinn, bald für Klarheit zu sorgen. Im neuen Jahr ist mit dem olympischen Turnier (5. bis 22. Februar) und der WM in Zürich und Fribourg (15. bis 31. Mai) keine Zeit mehr für verhandlungstechnische Schneckentänze. Es mag zwar sein, dass den Spielern ab dem ersten Bully einer Partie bis zur Schluss-Sirene der Verhandlungsstand mit Patrick Fischer egal ist. Aber Unruhe im Umfeld ist in solchen Fällen nie nützlich.
Die Gewährsleute aus dem weitverzweigten Fuchsbau des Verbandes melden: Ungeduldig wird erwartet, dass die Verlängerung eigentlich nur noch Formsache ist und lediglich der geeignete Moment zur Verkündung abgewartet wird. Oder vielleicht besser: nur Formsache sein sollte. Weil Patrick Fischer – so die Annahme – als Familienvater im Alter von 50 Jahren keinen besseren Job finden kann. Ins Hamsterrad der mühseligen täglichen Arbeit als Trainer oder Sportchef bei einem NL-Klub wird er sich kaum mehr begeben. Und in der NHL wäre nur ein Cheftrainerjob gut bezahlt und die Assistenten sind dort von der Arbeitsbelastung her die Galeerensklaven des Hockeys.
Sollte Patrick Fischer entgegen den Erwartungen nicht verlängern, dann wird Lars Weibel, der unter kritischer Beobachtung steht, in Erklärungsnot geraten. Er hat soeben viel Rückhalt bei den Klubs verloren: Nach seinem Rücktritt als Ambri-Sportchef hat Paolo Duca seinen Sitz im Nationalmannschafts-Komitee zur Verfügung gestellt.
Eigenmächtig wollte Lars Weibel für Duca Klotens Sportchef Ricardo Schödler ins Gremium holen. Vor seinem Job in Kloten arbeitete Schödler beim Verband und dort war Lars Weibel sein Chef. So schamlose Vetternwirtschaft ist bei den Klub-Sportchefs gar nicht gut angekommen und sie haben nun durchgesetzt, dass Biels Martin Steinegger Ducas Nachfolger wird. Das Nationalmannschafts-Komitee hat zwar keine Entscheidungsbefugnis und kann nur beratend wirken. Aber die Nationaltrainerfrage wird nicht gegen die Meinung dieses Komitees gelöst.
Also schildert Lars Weibel auf Anfrage die heikle Lage rund um die Situation von Patrick Fischer mit der nötigen Demut. Der buchstabengetreue Wortlaut:
Und Patrick Fischer, ganz kluger Diplomat, sagt:
Also Zeit, einen Nachfolger zu suchen.
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Das Resultat einer Exegese (= Auslegung, Interpretation) der Aussage von Lars Weibel: Fest steht bisher – offiziell – nur, dass im Falle eines Falles Patrick Fischers Nachfolger wieder ein Schweizer wäre. Der umtriebige Spieleragent Sven Helfenstein versucht zwar noch, seinen Klienten Thierry Paterlini ins Spiel zu bringen, um seine Machtposition im nationalen Hockey-Business auszubauen.
Aber die Gewährsleute aus den Verbandsbüros melden: Die Meinungen sind gemacht: Als Nachfolger käme nur Jan Cadieux in Frage, Meister 2023 und Champions-League-Sieger 2024 mit Servette.
Der neue Verbandspräsident Urs Kessler reist am Freitag zum Vierländerturnier nach Tampere. Die Erkenntnisse, zu denen er bei diesem Frontbesuch kommt, wird Lars Weibel berücksichtigen müssen. Die Gewährsleute melden, der Vorsitzende sei ein Befürworter einer Verlängerung mit Patrick Fischer und erwarte so oder so bald Vollzug. Urs Kessler hat die Zügel angezogen, die seine Vorgänger über Jahre haben schleifen lassen, und aus dem jetzt noch harmlosen, mehr der Verbandsfolklore geschuldeten Theaterdonner um den Nationaltrainer könnte für Lars Weibel unverhofft ein Herbstgewitter werden.
